Workshop | Celan in der bildenden Kunst der Gegenwart // Celan in Contemporary Art
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Organisiert von Diego León-Villagrá (Freie Universität Berlin) und Friederike Felicitas Günther (Freie Universität Berlin), Research Area 4: "Literary Currencies".
Vom "Austesten und Erraten" spricht Paul Celan mit Blick auf die Arbeiten von Gisèle Celan-Lestrange – die in vielen ihrer Bilder sein Werk kommentierte – wie auch auf die moderne französische Druckgrafik überhaupt. Ebenso wie seine Lyrik sei diese Kunstform "nur scheinbar abstrakt, ungegenständlich; ihre kristallographischen Gebärden sind sichtbar gemachte Formeln". Die tentative und produktive Auseinandersetzung der Bildenden Künste mit Leben und Werk Paul Celans setzt sich bis in die Gegenwart fort. In einer großen medialen und formalen Vielfalt spiegelt es sich in traditionellen und modernen Ausdrucksformen der bildenden Künste. Celans Grenzgänge am Rande der Sprache, die kristallinen Zeugnisse einer Dichtung, die in existenzieller Bedrängnis ein kaum mehr vorhandenes Gegenüber anruft, finden in der bildenden Kunst bis in die Gegenwart hinein ein vielstimmiges Echo.
Allein in den letzten Jahren wurden dabei mehrere konzeptuell ganz auf das Werk Paul Celans ausgerichtete Ausstellungen realisiert, etwa "Corona" in der Brüsseler Dvir Gallery (2020) mit Arbeiten von Ariel Schlesinger, Douglas Gordon, Latifa Echakhch, Mircea Cantor, Miroslaw Balka und Sarah Ortmeyer, "Hommage an Paul Celan" (2020) mit Arbeiten von Thomas Duttenhoefer, Alexander Polzin, Joseph Semah und Markus Daum oder die von Benjamin Kaufmann kuratierte Ausstellung "Sand aus den Uhren" im Wiener Angewandte Innovation Laboratory (2016). Besondere Aufmerksamkeit wurde international dem Werk von Edmund de Waal und Anselm Kiefer zuteil, etwa Kiefers monumentaler Ausstellung "Pour Paul Celan" mit bis zu 4 x 13 Meter großen Gemälden im Grand Palais Ephémère in Paris (2021/22), die von Chris Dercon kuratiert und Emmanuel Macron eröffnet wurde. Wie global sich das Interesse der bildenden Künste an Celan gestaltet, zeigt unter vielen anderen das Oeuvre von Joseph Semah (*1948 in Bagdad, Irak), Doris Salcedo (*1958 in Bogotá, Kolumbien), Latifa Echakhch (*1974 in El Khnansa, Marokko) oder Ariel Schlesinger (*1980 in Jerusalem, Israel).
Im Workshop, der im März 2023 im Literarischen Colloquium Berlin stattfinden soll, sind bildende Künstler:innen eingeladen, in Beiträgen und Gesprächen von ihrem Bezug auf Celans Leben und Werk berichten. Diese Gespräche werden von wissenschaftlichen Beiträgen und Diskussionen zu einzelnen Kunstwerken begleitet. Anhand von ausgewählten Installationen, Skulpturen, Graphic Novels und Gemälden seit 2000 sollen die von Celans Werk ausgehenden bildnerischen Anverwandlungen und Fortschreibungen thematisiert werden. Die explizit interdisziplinär zu verstehende Fragestellung, wie sich diese Lektüren aus philologischer und künstlerischer Perspektive kontrastieren, decken oder komplementieren, steht dabei gemeinsam mit der Frage nach der spezifischen Hermeneutik bildender Künstler:innen im Mittelpunkt. Welche Werke oder Aspekte von Celans Leben werden Thema der visuellen Künste und warum gerade diese? Welche medialen Transferdynamiken lassen sich beobachten? Was fügt die bildende Kunst der Gegenwart dem Werk Celans hinzu? Lässt sich der mediale Transfer auch auf sprachliche Übersetzungsprozesse beziehen, die Celan selbst in seinem Werk vielfach thematisiert hat?
Diese und viele weitere Fragen werden Ausgangspunkt der Diskussionen im Workshop sein, der mit einigen Gästen in Präsenz sowie digital übertragen mit internationalen Teilnehmer:innen stattfinden soll.
Ausgewählte Beiträge des Workshops werden in das Forum der Celan-Perspektiven 5 (2023) aufgenommen.
Programm
Donnerstag, 2. März14:00-15:30 | Friederike Günther, Diego León-Villagrá (Freie Universität Berlin) und Peter Dietze (Literarisches Colloquium Berlin): Begrüßung
Karen Leeder (University of Oxford): After Celan: Celan and Modern Art
Online Talk: Edmund de Waal mit Diego León-Villagrá
16:00-17:30 | Annette Jael Lehmann (Freie Universität Berlin): 'Pour Celan' – Anselm Kiefer and Beyond
Online Talk: Mirosław Bałka mit Annette Jael Lehmann
18:00-20:00 | Talk: Alexander Polzin und Joseph Semah mit David Wachter und Friederike Günther
Freitag, 3. März9:30-11:00 | Markus May (Ludwig-Maximilians-Universität München): 'Nach dem Lichtverzicht'. Reflexionen zum Umgang mit Paul Celan in der zeitgenössischen Kunst
Talk: Markus Daum mit Katharina Schwarz (Ruhr-Universität Bochum)
11:30-13:00 | Pablo Turnes (Universidad de Buenos Aires, Freie Universität Berlin): The Wound of Philoctetes: Purging the Poison out of Collective Memories
Talk: Yirmi Pinkus mit Pablo Turnes
14:00-15:30 | Online talk: Sarah Ortmeyer mit Jana Maria Weiß (Freie Universität Berlin)
Talk: Carolin Schmidt und Margaret Schlenkrich (Kollektiv »kaboom«) mit Ira Klinkenbusch (Humboldt-Universität zu Berlin)
Time & Location
Mar 02, 2023 - Mar 03, 2023
Literarisches Colloquium Berlin
Am Sandwerder 5
14109 Berlin
Further Information
Diego León-Villagrá: d.leon-villagra@fu-berlin.de. Die Teilnahme am Workshop ist in Präsenz oder online möglich. Für eine Online-Teilnahme registrieren Sie sich bitte per E-Mail bis spätestens 1. März 2023