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Querelle – Parallèle – Paradoxe – Guerre: Framing the Dispute between Ancients and Moderns in the Early Modern Periodical Press ('Nouvelles littéraires', 'Neue Zeitungen von gelehrten Sachen')

Book cover

Book cover © De Gruyter

Anita Traninger – 2022

Im Jahr 1715 erschien in Den Haag in den Nouvelles littéraires (1715–1720) eine satirische Beschreibung der Länder der anciens und der modernes. Sie wurde rasch ins Deutsche übersetzt und in den Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen (1715–1784), einer in Leipzig erscheinenden Zeitschrift, veröffentlicht. Beide Zeitschriften gehörten zu einem neuen Typus von Journalen, die sich der Beobachtung der und Berichterstattung über die Debatten in der république des lettres widmeten. Sie waren Schwesterzeitschriften, nicht nur, weil sie eng zusammenarbeiteten und Artikel austauschten, sondern auch, weil die Nouvelles littéraires nach dem Vorbild ihres Leipziger Pendants gegründet wurden. Mit der Übersetzung importierten die Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen nicht nur eine satirische Betrachtung dessen, was als letztes literarisches Ereignis der querelle des anciens et des modernes bezeichnet wurde, der so genannten querelle d’Homère; sie fügten auch ein Element hinzu, das sich im 17. Jahrhundert in Frankreich großer Beliebtheit erfreut, in Mitteleuropa jedoch wenig Resonanz gefunden hatte. Zusammen mit der Übersetzung brachten die Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen eine allegorische Karte, die den vermeintlichen Krieg zwischen den beiden Ländern visualisierte. Ausgehend von dieser Karte werden in diesem Kapitel die verschiedenen rhetorischen Rahmen und Verfahren nachgezeichnet, die sowohl der querelle des anciens et des modernes selbst als auch der Berichterstattung über sie zugrunde lagen. Es wird gezeigt, dass die Metapher des Krieges eng mit dem Vergleich (parallèle) verbunden ist, der die querelle von Anfang an prägte, ebenso wie mit dem Modus des Paradox. Die comparatio oder synkrisis war nie darauf ausgerichtet, die Leistungen beider Seiten zu würdigen, sondern war vielmehr darauf gepolt, eine klare Präzedenzentscheidung zu treffen. Diese hatte sich jeweils zur allgemeinen Meinung zu verhalten. Gegen diese zu argumentieren, bedeutete im damaligen Sprachgebrauch, ein Paradox zu vertreten. Im Gegensatz zu früheren Einschätzungen der Forschung verfolgte das Lesepublikum in den deutschsprachigen Ländern die querelle des anciens et des modernes von Anfang an. Doch was in den Zeitschriften für die deutsche Leserschaft festgehalten wurde, war weniger eine „Querelle die niemals war“ als vielmehr eine „Querelle, die nicht die ihre war“. Sie wurde lange als eine fremde Kuriosität behandelt, die mit den deutschen Belangen schlechterdings nichts zu tun hatte. Sowohl die Nouvelles littéraires als auch die Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen waren geographisch wie ideologisch weit von der Kulturpolitik der französischen Monarchie entfernt, und insbesondere der deutschsprachige Raum befand sich in einer Beobachterposition. Sowohl der der Übersetzung vorgeschaltete Vorbericht als auch die allegorische Karte verlagerten vor diesem Hintergrund auf subtile Weise den Fokus von den Errungenschaften des Zeitalters Louis’ XIV. auf Fragen der Gelehrsamkeit und der libertas philosophandi, indem sie das Thema der liberté de juger einführten und die Festung der Peripatetiker in den Mittelpunkt des tobenden Krieges rückten. Für das deutsche Publikum war die Frage der liberté de juger weniger eine Frage der Literaturkritik als eine Frage der Denkfreiheit angesichts der überwältigenden Dominanz des Aristotelismus an den Universitäten. Die deutsche Veröffentlichung richtete mithin den Fokus der Satire auf ein ganz anderes Anliegen, das mit den französischen Debatten nur dem Namen nach koinzidierte.

In 1715 a satirical description of the lands of the Ancients and the Moderns appeared in The Hague in the Nouvelles littéraires (1715–1720). It was quickly translated into German and published in the Neue Zeitungen von gelehrten Sachen (1715–1784), a journal based in Leipzig. Both periodicals belonged to a new type of journal devoted to observing and reporting on debates in the republic of letters. They were sister journals, not only in that they collaborated closely and shared articles, but also in that the Nouvelles littéraires was modeled on its Leipzig counterpart. With the translation, the Neue Zeitungen von gelehrten Sachen not only imported a satirical take on what has been called the last literary event of the querelle des anciens et des modernes, the so-called querelle d’Homère; it also added a feature that had enjoyed a tremendous popularity in France during the seventeenth century but had had little resonance in Central Europe. Along with the translation, the Neue Zeitungen von gelehrten Sachen also included an allegorical map visualising the supposed war between the two lands of the Ancients and the Moderns. Taking this map as a starting point, this chapter will trace the various rhetorical frames and devices that informed both the querelle itself and the reporting on it. The imagery of war is shown as being closely connected to the comparison (parallèle) that informed the querelle from the beginning, as well as to the mode of the paradox. Comparatio or synkrisis had never been geared towards honouring achievements on both sides, but rather towards deciding which side outclassed the other. In addition to the contrasting of the two sides, comparison had to account for another aspect: namely, that there was a foundation of common opinion. In the parlance of the time, arguing against common opinion meant propounding the paradox. Contrary to what earlier scholarship has claimed, the reading public in the German-speaking lands followed the querelle des anciens et des modernes from its inception. But what was chronicled in the journals was less a “querelle that wasn’t” than a “querelle that wasn’t theirs”. It was treated as a foreign curiosity that did not resonate at all with German concerns. With both the Nouvelles littéraires and the Neue Zeitungen von gelehrten Sachen being physically and ideologically far removed from the cultural politics of the French monarchy, the Germanlanguage realm in particular was in an observer’s position. Both the "Vorbericht", which preceded the translation, and the allegorical map subtly shifted the focus of attention from the achievements of the age of Louis XIV to questions of scholarship and libertas philosophandi by introducing the theme of liberté de juger and placing the fortress of the Peripatetics at the center of the raging war. To German audiences, the matter of liberté de juger was less a question of literary criticism than one of freedom of thought in the face of the overwhelming dominance of Aristotelianism in early modern universities. In brief, the German publication realigned the satirical piece with a different set of concerns that coincided with the French debates only in name.

Title
Querelle – Parallèle – Paradoxe – Guerre: Framing the Dispute between Ancients and Moderns in the Early Modern Periodical Press ('Nouvelles littéraires', 'Neue Zeitungen von gelehrten Sachen')
Publisher
De Gruyter
Location
Berlin/Boston
Keywords
Book Chapter; RA 1: Competing Communities; RA 5: Building Digital Communities
Date
2022
Appeared in
Ines Peper, Thomas Wallnig (Eds.). Central European Pasts: Old and New in the Intellectual Culture of Habsburg Europe, 1700–1750 (= Cultures and Practices of Knowledge in History 6)
Type
Text
Size or Duration
607–638
Coverage
This publication is the result of work carried out in Research Area 1: Competing Communities and Research Area 5: Building Digital Communities.

How to cite:
Anita Traninger. "Querelle – Parallèle – Paradoxe – Guerre: Framing the Dispute between Ancients and Moderns in the Early Modern Periodical Press (Nouvelles Littéraires, Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen)." In Central European Pasts: Old and New in the Intellectual Culture of Habsburg Europe, 1700–1750, edited by Ines Peper and Thomas Wallnig, 607–38. Cultures and Practices of Knowledge in History 6. Berlin/Boston: De Gruyter, 2022. https://doi.org/10.1515/9783110653052-024.