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Workshop | Archive von unten – über private Räume, lebendige Archive und Archivierung von QTIBIPoC Geschichte

Nov 25, 2023 | 02:00 PM - 06:30 PM
Image Credit: Maxine Vajt.

Image Credit: Maxine Vajt.

Organisiert von Nina Tolksdorf, Research Area 2: "Travelling Matters" und Karina Rocktäschel (SFB 1171 Affective Societies). Dieser Workshop ist Teil der Arbeitsgruppe "After Accumulation" des EXC 2020.

Archive sind materielle Strukturen, die auf finanzielle, räumliche und arbeitsintensive Ressourcen angewiesen sind. Sie sind aber auch von immateriellen Strukturen durchzogen. Sie beinhalten affektive Dimensionen und sie distribuieren Gefühle von Zugehörigkeiten. Die Logik der Archive unterliegt damit immer einer ambivalenten Doppelung. Einerseits konservieren sie Zugehörigkeitsgefühle, die selbst wiederum Mechanismen des Ein- und Ausschlusses unterliegen, andererseits erfordert die Sichtbarmachung und Behauptung sozialer, politischer und ökonomischer Existenzen Strategien der Archivierung, d.h. der Sammlung, des Verzeichnens und vor allem der Erhaltung von Spuren des (Über-)Lebens sowie der Möglichkeiten ihrer traumatischen Verarbeitung (Ann Cvetkovich). Diese ambivalente Doppelung, ihre materielle und immaterielle Dimension, kennzeichnet Archive als Infrastrukturen, die eng mit den Lebenswelten verwoben sind, aus denen sie entstehen und für die sie aufbewahren (Zarin Tasnim). Hier fängt die Bestimmung des Archivs als abgrenzbarer Ort des Sammelns und Verzeichnens an, porös zu werden (Martin Manalansan). Wo verläuft die Grenze zwischen lebensweltlichen Infrastrukturen und dem Archiv? Wo fangen Infrastrukturen an, Archive zu bilden, weil sie der Erhaltung, Weitergabe und Aufbewahrung von Lebenswissen dienen? Wo fangen Archive an, Infrastrukturen zu bilden, weil sie Erfahrungswissen beinhalten, das stärkt, empowert und Orientierungen vorgibt? Wie verhält sich die einer klassen- und geschlechtsbasierten bürgerlichen Logik entstammende Differenzierung von privat und öffentlich in dieser Dynamik? Welche Formen von Intimitäten stellen verschiedene Archive bereit oder versuchen sie zu verunmöglichen?

Beginnen werden die Künstler:innen Antonella Sarubbi und Kristan Maria (Kristina Trömer) mit einer Präsentation ihrer Raum- und Audioinstallation "LIVING ROOM". Hierfür laden sie zum Gespräch über Safe Spaces, Generationen, (Miss-)Verständnisse und Gemeinsamkeiten von queeren Biografien ein. Im Rahmen der Präsentation der künstlerischen Arbeit wird ein historischer Blick von Katja Koblitz zur Rolle des privaten Raumes in der lesbischen Geschichte (1920-1990) die Installation begleiten.

Zudem werden in diesem Workshop zwei weitere Beiträge die Verbindung von Archiv und Leben verdeutlichen. So wird Wassan Ali in ihrem Beitrag das Projekt "Geschichte bewahren, Geschichte im Entstehen" vorstellen – ein Projekt, das darauf abzielt, die Geschichte von QTIBIPoC in das Spinnboden Lesbenarchiv zu bringen. Wassan Ali stellt folgende Fragen zur Diskussion: Wie lässt sich ein Archivierungsprojekt mit postkolonialen Lehren wie dem "Verlernen des Imperialismus" (Ariella Azoulay) oder der Erklärung, dass "Opazität bewahrt werden muss" (Édouard Glissant), in Einklang bringen? Der Beitrag skizziert einige der Risiken, aber auch Affirmationen, die mit der Einbeziehung von Geschichte(n) verbunden sind, die im Allgemeinen nicht Teil des archivarischen Auftrags sind.

Schließlich wird uns Juliana Kohlberg das Projekt The Living Archives vorstellen. Dies ist eine digitale Plattform der Dokumentation, Archivierung und Weitergabe von intersektionalem Wissen aus und in BIPoC Communities. Gegenwärtige sowie historische Bezüge zu Erzählungen und Wissen (Texte, Oral History, Bilder etc.), die in bzw. durch normative Diskurse verloren, gelöscht oder überschrieben wurden und weiterhin werden, spielen eine zentrale Rolle in diesem "Resistant Knowledge Project" (Patricia Hill Collins). Das Konzept des Archives wird dementsprechend im Hinblick auf seinen kolonialen, rassistischen Entstehungskontext neu- bzw. umdefiniert und als Mittel des "Gegenerzählens" verwendet. The Living Archives ist ein Community Projekt von und für marginalisiertes Wissen.

Programm

Samstag, 25. November 2023

13:45-14:00 | Ankunft und Begrüßung

14:00-15:00 | Antonella Sarubbi und Kristan Maria: LIVING ROOM (dt.)

15:00-15:15 | Pause

15:15-16:15 | Katja Koblitz: Die Bedeutung des privaten Raumes in der lesbischen Geschichte (1920-1990) (dt.)

16:15-16:30 | Pause

16:30-17:15 | Wassan Ali: Geschichte bewahren, Geschichte im Entstehen (engl.)

17:15-17:30 | Pause

17:30-18:30 | Juliana Kolberg: The Living Archives (dt.)

Time & Location

Nov 25, 2023 | 02:00 PM - 06:30 PM

xart splitta e.V.
Hasenheide 73
10967 Berlin

Further Information

Die Vortragssprachen wechseln zwischen Deutsch und Englisch. Wir bitten um eine Anmeldung unter folgender E-Mail-Adresse: nina.tolksdorf@fu-berlin.de.