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READING READING: IL/LEGIBLE. Exploration

Detailaufnahme aus Venerable Ācārya Jên Wên, Prajñāpāramitā-Hrdaya Sūtra: Das Sūtra vom Herzen der Vollkommen Weisheit. The Heart Sutra (Rheinberg: Zero Verlag, 1982). Image credit: Jessica Barr 2024.

Detailaufnahme aus Venerable Ācārya Jên Wên, Prajñāpāramitā-Hrdaya Sūtra: Das Sūtra vom Herzen der Vollkommen Weisheit. The Heart Sutra (Rheinberg: Zero Verlag, 1982). Image credit: Jessica Barr 2024.

 

Das Lesen ist eine alltägliche und zugleich äußerst wirkmächtige Praxis: Mal gänzlich unbemerkt, mal mühsam, mal lustvoll vermag es das Lesen, die Selbst- und Weltbeziehung zu modulieren, durch Kommunikation zeitübergreifende wie auch transkulturelle Beziehungen zu schaffen, die Sicht auf Vergangenheit und Gegenwart neu zu ordnen und dabei als Schauplatz individueller wie gesellschaftlicher Selbstverständigung zu dienen. Doch das Lesen ist, so wurde oft konstatiert, eine „black box“ (Aust 1983), der nur schwer, und wenn, dann nur „in flagranti“ (von Hermann/Moser 2015) auf die Spur zu kommen ist. Der Prozess des Lesens ist für alphabetisierte Schriftnutzer:innen derart automatisiert, dass sich kaum zwischen Gestaltsehen und decodierendem Vollzug unterscheiden lässt (Pollascheg 2018; Aeberhard 2018).

Auf diese Herausforderung reagiert das erste Format des Projekts READING READING, »IL/LEGIBLE« mit einer explorativen Befragung des Lesens ausgehend von dessen absoluter Grenze, nämlich dem Unlesbaren. Wo Lesen als eingespielte Entzifferungspraxis scheitert, wird es, so die Annahme, als aisthetische und ästhetische Praxis der Reflexion in besonderer Weise zugänglich (Müller-Tamm et al. 2018).

13 Wissenschaftler:innen und Künstler:innen unterschiedlicher Disziplinen und Sparten wurden eingeladen, anhand der Auseinandersetzung mit für sie unlesbaren Artefakten nicht ein spezifisches Gelesenes, sondern die Praxis des Lesens selbst in den Blick zu nehmen. Ausgangspunkt ist für alle Beteiligten ein Betrachtungsgegenstand, der sich zwar als Text oder Schrift präsentiert und damit das Lesen herausfordert, der kommunikativ jedoch nicht im gewohnten Sinne prozessiert werden kann – weil das verwendete Zeichensystem nicht erlernt wurde, ein unbekannter Code oder lediglich Schriftähnliches vorliegt.

In der theoretischen oder künstlerischen Auseinandersetzung mit diesen Artefakten ist das, was unter ‚Lesen‘ verstanden wird – die mit der Entzifferung von Zeichen einhergehende Aktualisierung von Lautbildern und das Sinnverstehen – und damit auch das grundlegende Kommunikationsversprechen von Schrift außer Kraft gesetzt. So rücken zugleich andere Dimensionen des Lesens in den Blick. Gefragt wird, wann und wie das Lesen zu einer dezidiert ästhetischen, sprich (nach Reckwitz 2016): in der sinnlichen Wahrnehmung selbstreferenziellen statt instrumentellen, poietischen und/oder performativen, affektiven, spielerisch-experimentellen, aber auch zu einer politischen Praxis wird – und was sich über diese Praxis gerade durch den Umgang mit Unlesbarem in Erfahrung bringen lässt. 

 

Mit: Jessica Barr · Charlotte Coch · Ulrike Draesner · Angélica Freitas · Raisa Inocêncio Ferreira Lima · Elias Kreuzmair · Karolin Meunier · radical data · Michael T. Taussig · Nhã Thuyên · Kinga Tóth · Sarah Bro Trasmundi · visual intelligence

 

Konzept und Organisation: Barbara Bausch, Research Area 4: „Literary Currencies“

 

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